Kommentar |
Kritik und Handlungsfähigkeit -
Welche Bedeutung hat der subjektwissenschaftliche Zugang Kritischer Psychologie für die Soziale Arbeit?
Sozialarbeiter_innen brauchen im Arbeitsalltag Konzepte zur Erklärung menschlichen Handelns, um Entscheidungen darüber treffen zu können, ob- und welche Maßnahmen in der jeweiligen Problemlage geeignet sind. Sie greifen dabei, bewusst oder unbewusst, auf Grundbegriffe und Theorien aus der Psychologie zurück.
Nicht ohne Grund ist also die Psychologie eine der wichtigsten Bezugsdisziplinen der Sozialen Arbeit an den Hochschulen. Auch in der Arbeitswelt überschneiden sich die Berufsfelder von Sozialarbeiter_innen und Psycholog_innen häufig, in manchen Institutionen (etwa im Bereich Psychiatrie) arbeiten multiprofessionelle Teams eng zusammen. Viele Sozialarbeiter_innen lassen sich in ihrer Berufslaufbahn in psychologisch-therapeutischen Zusatzausbildungen weiterqualifizieren. Es gibt aber für die Soziale Arbeit gute Gründe, die theoretischen Grundlagen der traditionellen Psychologie und die vielfach darauf resultierende gängige psychologische Praxis nicht einfach unkritisch zu übernehmen.
In den 70er Jahren wurde im Kontext der sog. Studentenbewegung die traditionelle Psychologie als „Herrschafts- und Anpassungswissenschaft“ massiv in Frage gestellt. Aus dieser Kritik an den Grundlagen und der gesellschaftlichen Funktion der Psychologie entwickelten Studierende und Dozent_innen der Freien Universität Berlin die „Kritischen Psychologie“, deren bekanntester Vertreter Klaus Holzkamp wurde. Zugleich wurde ein eigener, „subjektwissenschaftlicher“ Zugang begründet. Es wird unter anderem davon ausgegangen, dass gesellschaftliche Bedingungen in ihrer Bedeutung für das Subjekt systematisch einbezogen werden müssen, um menschliches Handeln und seine Voraussetzungen überhaupt adäquat erfassen zu können. Der Nachvollzug der jeweiligen Interessen und Handlungsgründe des Individuums bilden dabei den Ausgangspunkt zur Analyse einer Problemsituation. So werden Entscheidungsvoraussetzungen und Handlungsfähigkeit zu zentralen Ausgangspunkten kritisch-psychologischer Theorie und Praxis.
In unserem Seminar wollen wir uns mit den Grundlagen der Kritischen Psychologie befassen. Dazu zählen:
-Entstehungsgeschichte der Kritischen Psychologie an der FU Berlin in den 1970er Jahren und sozialpolitischer Kontext
-Einführung in die theoretischen Grundlagen und Kategorien der Kritischen Psychologie
-Kritik traditioneller behaviouristischer Zugänge der Psychologie
-Kritische Psychologie als Subjektwissenschaft
-Bedeutung kritisch-psychologischer Grundpositionen für die Soziale Arbeit
Literatur:
-
Eichinger, Ulrike / Weber, Klaus (2012): Soziale Arbeit. texte kritische psychologie 3, Argument Verlag, Hamburg
-
Holzkamp, Klaus (1983): Grundlegung der Psychologie. Campus Verlag, Frankfurt/New York
-
Holzkamp, Klaus (1993): Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Campus Verlag, Frankfurt/New York
-
Hünersdorf, Bettina / Hartmann, Jutta (2013): Was ist und wozu betreiben wir Kritik in der Sozialen Arbeit? Disziplinäre und interdisziplinäre Diskurse. Springer Fachmedien Wiesbaden
-
Markard, Morus (2009): Einführung in die Kritische Psychologie. Dt. Originalausgabe, Argument Verlag, Hamburg
-
Osterkamp, Ute: Grundlagen der psychologischen Motivationsforschung 2. Die Besonderheiten menschlicher Bedürfnisse – Problematik und Erkenntnisgehalt der menschlichen Psychoanalyse. Texte zur Kritischen Psychologie, Band 4/2, Psychologisches Institut der FU Berlin, Campus Verlag, Frankfurt/New York
-
Zeitschrift: Forum Kritische Psychologie, Argument Verlag Berlin
Dozentin:
Sarah Büsse, geb. 1983, Magistra Erziehungswiss./Politikwiss., Sozialarbeiterin,
engagiert und befasst u.a. mit den Themenbereichen Kritische Bildungsarbeit und Lerntheorie, Subjektwissenschaft, Kurdistanpolitik und Frauenbewegung |