1. Gruppe - Prof. Dr. S. Smykalla:
Das Konzept der Lebensbewältigung, das maßgenblich von Lothar Böhnisch entwickelt wurde, versteht sich als Theorie-Praxis-Modell für die Soziale Arbeit. Es erklärt, wie verschiedene Lebenslagen (Geschlechterverhältnisse, Zugehörigkeit/Migration, Behinderung) die Handlungsspielräume von Menschen in kritischen Lebenskonstellationen beeinflussen. Zudem werden Entwicklungsaufgaben und Bewältigungsstrategien entlang der Lebensalter Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter, hohes Alter vorgestellt und konkrete Handlungsaufforderungen an die Soziale Arbeit formuliert. In diesem Seminar wird in das Konzept der Lebenslagen und der Lebensbewältigung nach Böhnisch eingeführt und Konsequenzen für pädagogisches und sozialarbeiterisches Handeln aufgezeigt (z.B. diversitätsbewusste, queere Bildung/Sozialraumorientierung/ Akzeptierende Soziale Arbeit). Das Seminar verbindet theoretische Analysen mit Beispielen aus der professionellen Praxis der Pädagogik und der Sozialen Arbeit und reflektiert Chancen und Grenzen der Lebensbewältigungsorientierung.
2. Gruppe - J. Niggeman:
„no rest for the wicked” – Ansätze kritischer Pädagogik
The cost of liberty is less than the price of repression. (W. E. B. Du Bois)
Kritische Pädagogiken fragen, wie Normalität durch pädagogische Praxis hergestellt wird, wie Lernen und Selbstveränderung zusammenhängen und wieso der Staat erziehend funktioniert. In den verschiedenen Ansätzen steht die enge Verbindung von Politik und Pädagogik im Vordergrund. Erziehung und Bildung werden nicht als neutrale, wertfreie Instrumente der Lenkung und Steuerung gedacht, sondern als politisch-pädagogische Versuche der Selbstveränderung und der Veränderung sozialer Realität. Erziehung und Bildung sind an Zwecke, Ziele und Erwartungen gebunden. Ob eine Pädsagogik emanzipatorische Wirkung hat, zeigt sich erst praktisch. Die kritische Reflexion ihrer Absichten, ihrer offenen oder verborgenen Zielsetzungen, ihrer ungewollten Machteffekte und sozialen Bedingungen sind wichtig für ein emanzipatorisches Verständnis von Pädagogik.
Im Seminar werden wird pädagogische Ansätze kennenlernen, die sich im Kontext von Gesellschaftskritik, sozialen Bewegungen und Emanzipationskämpfen entwickelt haben. Wir werden untersuchen, welche Rolle Kritik als Motor der Veränderung spielen kann. Besonders wichtig ist die Frage, wie heute eine „Pädagogik der vielfältigen Lebensweisen” (Jutta Hartmann) aussehen kann. Wie kann es gelingen, in den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen „Migration als Chance für die Pädagogik” (María Do Mar Castro Varela) zu begreifen?
Im Seminar werden wir in vier Blöcken verschiedene Ansätze kritischer Pädagogik kennenlernen.
- Kritische Pädagogiken
- Feministische und queere Pädagogik
- Postkoloniale Pädagogik
- Kritische Pädagogik und soziale Arbeit
Es wird eine Exkursion zum Thema „Postkoloniale Pädagogik” geben, der Termin wird im Seminar abgestimmt.
3. Gruppe - F. Nuss:
Bildung ist keine exklusive Angelegenheit der Schule. Angebote der Jugendhilfe sind nicht zuletzt durch den Ausbau von Ganztagsschulen dazu aufgefordert, einen erweiterten Bildungsbegriff in die Schullandschaft einzubringen, in dem Bildung nicht allein auf Humankapital und berufsverwertbare Fertigkeiten reduziert wird. Vielmehr geht es im humboldtschen Ideal darum, auf Prozesse der individuellen Selbstentfaltung zu setzen.
Dennoch haben die Arbeit im Ganztagsbereich (Hort) und die Schulsozialarbeit nach wie vor einen schweren Stand und ihre Aufgaben werden häufig darauf minimiert, die nachwachsende Generation (wieder) schulfähig zu machen.
In dem Seminar beleuchten wir in einer historischen Herangehensweise die unterschiedlichen Bildungsverständnisse und Auftragslagen von Schule und Jugendhilfe. Dabei sollen Grundlagen geschaffen werden, die zu einem kritischen Umgang mit den Mandaten von Schule und Jugendhilfe anregen (Stichwort: „Normalisierungsagenturen“). Durch Exkursionen können wir mit Lehrer_innen und Sozialpädagog_innen in Austausch treten und einen Fokus auf die praktischen Herausforderungen, Schwierigkeiten und Chancen der Kooperation der beiden Professionen legen.
Voraussetzung für die Teilnahme ist eine Offenheit, sich punktuell mit englischsprachigen Texten auseinanderzusetzten.
4. Gruppe - F. Nuss, J. Pfaff:
REFORMPÄDAGOGIK
Die „Reformpädagogik” ist wieder ein wichtiger Bezugspunkt in der bildungspolitischen und pädagogischen Debatte geworden. Dabei wird sie, wie Oelkers es kritisch ausdrückt, „als Steinbruch der Ideen” für heutige Bedürfnisse der Praxis von Schule, Kita und anderen Bildungs- und Erziehungsinstitutionen verwendet und dient in oftmals unscharfer Weise sowohl zur Bezeichnung von Traditionen als auch von gegenwärtigen Herausforderungen der Pädagogik.
Das Seminar hat den Anspruch, die unterschiedlichen Phänomene von Reformpädagogik zu ordnen und ihre wesentlichen Strömungen genauer zu studieren, zumal ein Großteil ihres Gedankengutes auch heutigen Kitas und Schulen, insbesondere in freier Trägerschaft, zu Grunde liegt.
Thematisiert werden dabei auch historische Kontexte und der jeweilige Blick auf die heranwachsende Generation: Von den Vorläufern unseres heutigen reformpädagogischen Verständnisses und den Ideen ausgewählter Vertreter im 18. Jahrhundert (Rousseau, Pestalozzi), über die zentralen reformpädagogischen Bewegungen im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert (Montessori, Steiner), bis hin zu reformpädagogischen Bewegungen der Zeit nach dem II. Weltkrieg (insbesondere der sogenannten 68’er Generation mit ihren Konzepten von „antiautoritärer Erziehung” und „Alternativ- und Antipädagogik”).
Was von einer „Pädagogik vom Kinde her”, der „Befreiung des Lernens” und einer reformpädagogischen Innovationskraft heute noch präsent ist, wird durch Exkursionen in Berliner Bildungs- und Erziehungsinstitutionen erlebbar. Zudem wird durch die Möglichkeit, sich in einer Kleingruppenarbeit kritisch mit ausgewählten zeitgenössischen Schul- und Kitakonzepten auseinanderzusetzten, die Chance gegeben, seinen eigenen Blick für die Aktualität zuvor thematisierter reformpädagogischer Gedanken zu schärfen. Die Gruppenarbeit dient als Möglichkeit des Leistungsnachweises und ermöglicht auf kreativ-essayistische Art und Weise, eigene Thesen von „Reformen der Reformpädagogik” zu formulieren.
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