Mehr als pro choice? Intersektionale Perspektiven auf Reproduktion und Bevölkerungspolitik
Montag 14-tägig von 14 bis 18 Uhr (ab 15.04.)
Durch den Prozess gegen die Ärztin Kristina Hänel und die Forderungen nach der Abschaffung des Paragraphen 219a sind feministische Kämpfe um reproduktive Selbstbestimmung im letzten Jahr wieder stärker in den Fokus der deutschen Medienöffentlichkeit gerückt. Selten wird die gesetzliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen jedoch mit bevölkerungspolitischen Debatten in einen Zusammenhang gebracht. Genauso selten ist die Thematisierung anderer Aspekte reproduktiver Selbstbestimmung: Zum Beispiel das Recht darauf, Kinder zu haben, der Schutz vor Zwangssterilisierungen oder das Recht auf Familienzusammenführung.
Dabei ist eine intersektionale Analyse von Reproduktions- und Bevölkerungspolitik notwendig um zu erkennen, welche Aus- und Einschlüsse über die Förderung bzw. Sanktionierung spezifischer Formen von (Nicht-)Elternschaft markiert werden: Im Kern wird dabei die Frage verhandelt, wer gesellschaftlich dazugehört, und wer das nicht tut und sich deshalb nicht vermehren soll.
Der Begriff reproduktive Gerechtigkeit wurde in den 90er Jahren von Schwarzen Feministinnen in den USA entwickelt, die in ihren Kämpfen gegen eugenische Bevölkerungspolitiken von weiß dominierten feministischen Bewegungen kaum Solidarität erfuhren und nach neuen Möglichkeiten der Organisierung suchten. Soziale Kämpfe in verschiedenen Bereichen – beispielsweise zu den Themen Migration, queere Körperpolitiken oder neoliberaler Sozialstaat – lassen sich in dieser Perspektive miteinander verbinden.
Was bedeutet reproduktive Gerechtigkeit in einem Berliner Kontext?
Dieser Frage nähert sich das Seminar im Dialog mit Aktivist_innen und Fachkräften aus der Praxis sozialer Berufe. Seminarteilnehmer_innen sollen Interviews mit aktivistischen Gruppen führen, die in Berlin bereits mit dem Konzept reproduktive Gerechtigkeit arbeiten, und sowohl alternative
Problemanalysen entwickelt haben als auch positive Visionen selbstbestimmter Lust und Reproduktion vertreten. Die gesammelten Beiträge sollen später auf einer Webseite veröffentlicht werden, die eine breitere Debatte über reproduktive Gerechtigkeit im deutschsprachigen Raum anstoßen will.
Das Seminar wird von Valle Mazzaferro in Kooperation mit Gastvortragenden studentisch geleitet und von der Dozentin Müjgan Senel begleitet, die für die Abnahme von Prüfungen zuständig ist. Die Veranstaltung wird durch ASH-IQ plus gefördert und studiengangsübergreifend insbesondere für Student_innen der Studiengänge EBK und Soziale Arbeit angeboten. |