Kommentar |
ohne Gruppe
PSP2111: Sozial-kulturelle Kooperationen im Fokus (künstlerischer) Forschung
Dozentinnen: Dr. Nadin Tettschlag, Prof. Johanna Kaiser
„Kunst von und mit Allen!”.... ist ein Slogan, den die Soziokultur seit den 1970er Jahren als "Kunst für Alle!" und daran anschließend die sich ausformende Soziale Kulturarbeit in Form von sozial-kulturellen Angeboten und kultur-, bildungs- und sozialpolitischen Ansprüchen zur Maxime erhebt. Seitdem sind insbesondere in den Städten soziokulturelle Zentren entstanden, Nachbarschafts-, Mehrgenerationenhäuser und Jugendeinrichtungen eröffneten ein vielfältiges Angebot um Kunst, Kultur und Spiel für alle Altersgruppen. Ebenso wie der Bereich der in den Kulturwissenschaften verorteten Kulturellen Bildung, die sich erst in den letzten Jahren sozialen Themen und vielfältigen Adressat:innen öffnet, zielen all diese konzeptionellen, methodischen und diskursiven Ansätze sowohl auf soziale und kulturelle Teilhabe zur Überwindung von Benachteiligung, auf den Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt, als auch auf die individuelle Entwicklungsförderung und aktive Gestaltung des sozialen Lebens. Ob Tanz, Theater oder Musik – alle sind Medien der Verständigung, fördern Gemeinschaftsbildung und Partizipation. Inzwischen ist das Konzept kritisch hinterfragt worden und es existieren diskriminierungskritische Ansätze, die Kunst für die Vielen, eben VON und FÜR alle fordern.
Im Praxisforschungsseminar nähern wir uns diesen Konzepten und ihren Zielsetzungen, Praxisbeispielen sowie der Methode künstlerischer Forschung an. Es werden verschiedene künstlerische oder kreative (theaterpädagogische, filmische) Methoden vorgestellt, die im Forschungsprozess genutzt werden können. Dabei werden künstlerische Prozesse und Praktiken als Mittel der Erkenntnisgewinnung und Wissensproduktion genutzt. So steht bei der künstlerischen Forschung nicht nur das Endprodukt (z. B. eine Theateraufführung odereine video) im Fokus, sondern vor allem der kreative Prozess selbst, der oft explorativ und experimentell ist. Sie ist somit eine Methode, die künstlerisches Schaffen und wissenschaftliche Forschung miteinander verbindet. In Kleingruppen- oder Einzelarbeit können Studierende eigene künstlerische und/oder filmische Forschungen durchführen und entsprechende Produkte erstellen, die anschließend der Hochschulöffentlichkeit präsentiert werden könnten.
Ausgangspunkte des Seminars bilden aktuelle Forschungsprojekte der Dozentinnen:
1) Bühne frei für gutes Älterwerden in Stadt und Land
Strategien und Voraussetzungen für sinnstiftende Kulturarbeit auf dem Land werden erst kürzlich und bisher selten wissenschaftlich verfolgt. Vorhandene Forschung kritisiert die Definitionsmacht von städtischer Kultur. Der Landbevölkerung kommt nur mangelnde Teilhabe zu Gute. Exportierte, städtische Kulturproduktionen degradieren Menschen zu Konsument:innen und sind für die Entwicklung des Gemeinwesens wenig förderlich. Sozial-kulturelle Angebote dienen als Mittel zur Öffnung und als Stärkung individuellen Vermögens. In dem IFAF-geförderten Verbundprojekt (https://www.ifaf-berlin.de/projekte/buehne-frei/) wurde sich mit diesen verschiedenen Aspekten beschäftigt.
Es wurden verschiedene Angebote entwickelt, Forschungsprozesse durchlaufen und in Kooperation mit Partner:innen im ländlichen Raum nach neuen Wegen gesucht, einen Anstoß zu geben, die Perspektive auf unvertraute Lebensformen zu ändern – im Besonderen gegenüber Migrant:innen und Geflüchteten und zwischen verschiedenen Generationen. Mit partizipativen Angeboten konnte es zu einem Austausch kommen, der Teilhabe und das Erleben von Selbstwirksamkeit zum Ziel hatte. Ein qualitativer Methodenmix aus musealen und theatralen künstlerischen Interventionen mit filmischer Begleitforschung trägt die Untersuchung und wird in dem Seminar vorgestellt. Geplant ist eine Fortführung des Projektes.
2) Kooperation „Meisterschule”
Intergenerationale Theaterprojekte zwischen Studierenden einer Hochschule und älteren Spieler:innen sind kaum umfassend wissenschaftlich untersucht worden. Welche Rahmenbedingungen tragen zum Gelingen der Kooperation bei? Welche Erfordernisse gibt es in der Kommunikation und professionellen Begleitung? Das Forschungprojekt verfolgt einerseits die Selbstevaluation der über mehr als 15 Jahre andauernden Kooperation zwischen der Alice Salomon Hochschule Berlin und dem Praxispartner „Theater der Erfahrungen” im Nachbarschaftshaus Schöneberg e.V. (https://theater-der-erfahrungen.nbhs.de/ )und erfasst andererseits ästhetische Bildungsprozesse, die über qualitative Erhebungen untersucht wurden. Diese werden auf der Grundlage aktueller Diskurse aus der kulturellen Bildungsforschung und Kulturgeragogik sowie der Kooperationsforschung ausgewertet. Somit wird eine Grundlage zur Entwicklung neuer partizipativer Lehrformate im intergenerationalen Kontext geschaffen. Im Januar 2025 werden die Ergebnisse im Rahmen einer Abschlusstagung vorgestellt.
Das Seminar baut auf den Ergebnissen des Praxisforschungsseminars „Kollaborationsforschung am Beispiel PRAXIS MEETS HOCHSCHULE im Kontext Sozialer Kulturarbeit” im Wintersemester 2019/20 unter der Leitung von Prof. Gesinde Bär und Prof. Johanna Kaiser auf.
Das Seminar richtet sich an Studierende der Sozialen Arbeit ebenso wie aus dem Bereich Kindheitspädagogik oder anderer angrenzender Bereiche (Kulturpädagogik, Gesundheits- und Pflegemanagement), denn für diese Berufsfelder sind die aufgeführten Aspekte relevant. Auf die entsprechende Spezifizierung oder Zuschneidung der Inhalte wird im Seminar besonderen Wert gelegt. Erfahrungen im künstlerischen Bereich sind keine Voraussetzung.
Seminarziele
Nach der Teilnahme an dem Seminar sollten die Teilnehmenden in der Lage sein, …
… Diskurse zu Sozialer Kulturarbeit und angrenzenden Forschungs- und Arbeitsbereichen zu kennen;
… die Stadt-Land-Thematik auch auf dem Hintergrund der aktuellen Wahlergebnisse analysieren und für die fachliche Arbeit einordnen zu können;
… verschiedene aktuelle Praxisforschungsprojekte zu kennen, darunter einen Einblick in die diskriminierungskritische Soziale Kulturarbeit mit einem intergenerativen Schwerpunkt zu erhalten;
… eigene kreative Forschungsprozesse zu erproben;
… spiel- und theaterpädagogische Methoden zu erproben und selbst anzuwenden.
Da wir uns im Seminar auf zwei aktuelle Forschungen beziehen, können die Seminarergebnisse auch direkt in weitere Forschungsprozesse eingebunden werden. Das können sein:
- Einbindung in eine Fachtagung zur Kooperation „Meisterschule” im Januar 2025 mit eigenen Forschungsergebnissen (beispielsweise von einer kleinen Perfomance über eine kreative Darstellung von Forschungsergebnissen bis zu filmischen Ergebnissen)
- Einbindung in die Planung von weiteren Projektaktivitäten im Bereich Kooperation zwischen städtischen und ländlichen Communities
Literatur
- Fricke, A. (2013/2012): Kulturelle Bildung im Dialog zwischen Jung und Alt. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/kulturelle-bildung-dialog-zwischen-jung-alt (letzter Aufruf 28.08.24)
- Damm, N.; Kaiser, J.; Schneider, E. (2018/2019): „Es ist gar nicht so leicht, die Störung zu sein” - Filmische Forschung in einer erfahrungsbasierten Weiterbildung für Kunstschaffende aller Sparten. In: Ludwig, J.; Ittner, H.: Forschung zur Ästhetischen und Kulturellen Bildung. Wissen zum pädagogisch-künstlerischen Handeln - Eine erziehungswissenschaftliche Studie. Springer VS
- Haller, Miriam (2020/2011): Altersbilder und Bildung: Bildungstheoretische Überlegungen im Anschluss an Michel Foucaults Konzept des Alters als Heterotopie. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/altersbilder-bildung-bildungstheoretische-ueberlegungen-anschluss-michel-foucaults-konzept (letzter Aufruf 28.08.24)
- Hilliger, Dorothea (2019): Pädagogisches Handeln in den performativen Künsten als (radikal-)demokratische Praxis. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE https://kubi-online.de/artikel/paedagogisches-handeln-den-performativen-kuensten-radikal-demokratische-praxis (letzter Aufruf 28.08.24)
- Hinz, M.;Kranixfeld, M.;Köhler, N.;Scheurle, C. (Hrsg.) (2018): Forschendes Theater in Sozialen Feldern, Soziale Kunst. München: kopaed
- Lowinski, Felicitas; Harmat, Esther (2023): Intergeneratives Tanztheater als ästhetisches Vermittlungsmodell. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE https://www.kubi-online.de/artikel/intergeneratives-tanztheater-aesthetisches-vermittlungsmodell (letzter Aufruf 28.08.24)
- Tröndle, M.; Warmers, J. (Hg.) (2011): Kunstforschung als ästhetische Praxis. Beiträge zur transdisziplinären Hybridisierung von Wissenschaft und Kunst. Bielefeld: transcript
- Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss (2020/2018): Kulturelle Bildung aus der Perspektive der Wissenschaft in Forschung und Lehre. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/kulturelle-bildung-aus-perspektive-wissenschaft-forschung-lehre (letzter Aufruf 28.08.24)
- Deutsche Welle: Beuys 2021 "Jeder Mensch ist en Künstler". https://www.dw.com/de/beuys-2021-jeder-mensch-ist-ein-k%C3%BCnstler/a-57018264
Folgende Filmische Erforschungen zur Kulturarbeit mit Älteren in Kooperation (Auswahl):
- Kaiser, J. (Regie): BÜHNE FREI: Künstlerische Impulse für einen Austausch zwischen Stadt und Land. Berlin, 2024
- Kaiser, J. (Regie): BÜHNE FREI: Stadtauswärts – Übers Land. Frauen aus Berlin und Brandenburg begegnen sich. Berlin, 2023
- Kaiser, J. (Regie): Beglückende Tage. Filmische Erforschung einer intergenerativen Kulturarbeit mit Kindern mit Fluchterfahrungen. DVD, 30 Min., Berlin. 2017
- Kaiser, J. (Regie): Theater ist meine Heimat. Filmische Erforschung im transnationalen Austausch. Berlin, DVD, UT engl./türkisch/deutsch, 29 Min., 2016
- Kaiser,J. (Regie und wissenschaftliche Leitung): Alt und Jung am Mischpult, DVD (MiniDV), 18 Min. 2016
- Kaiser, J. (Regie): Austausch sprengt Grenzen - Ein ecuadorianisch-deutsches Kulturprojekt mit Jung und Alt. DVD, Dokumentation, UT span., Berlin, DVD, 30 min., 2013.
|