Kommentar |
Gruppe 4
Die Frage, wie mit Menschen in psychischen Krisen umgegangen werden soll, provoziert Widerspruch, läuft diese Frage doch tendenziell Gefahr, zwischen den normalen Menschen und den Menschen in psychischen Krisen zu differenzieren. Emanzipatorisch intendierte Ansätze stehen daher vor der Herausforderung, Wege der Unterstützung und Begleitung von Menschen in psychischen Krisen aufzuzeigen, die diese Gefahr umgehen.
Von Interesse sollte jedoch sein, was zu der Frage, wie mit Menschen in psychischen Krisen umgegangen werden soll, motiviert: Ist es der Wunsch, in der Begegnung mit Menschen in psychischen Krisen kein (zusätzliches) Leid zu verursachen, sprich Rücksicht zu nehmen? Oder sind es das Misstrauen gegenüber Menschen in psychischen Krisen und die Besorgnis, sie könnten nicht nur den bekannten intersubjektiven Verständigungsrahmen sprengen, sondern auch unerwartet, schwer verständlich und nicht kontrollierbar handeln, im Extremfall selbst- oder fremdschädigend?
Beide Motivationszusammenhänge führen nicht selten direkt zu den akademischen Disziplinen und den Professionen (u.a. Psychologie, Psychotherapie und Psychiatrie), die die Zuständigkeit für den Phänomenbereich psychischer Krisen für sich reklamieren, in der Hoffnung, dort eine stimmige Antwort auf die eingangs formulierte Frage zu erhalten. Doch diese Disziplinen und Professionen sind umkämpft und nicht neutral. Ob also dort eine stimmige Antwort zu finden ist, bleibt daher zunächst ungewiss.
In diesem Seminar möchte ich mit den Teilnehmenden gemeinsam erarbeiten, welche Erwartungen an die Wissensbestände der erwähnten Disziplinen geknüpft sind, was in diesen Disziplinen (nicht) gelernt werden kann und was daraus für die Frage nach dem Umgang mit Menschen in psychischen Krisen folgt.
Konkret lädt das Seminar dazu ein, u.a. folgenden Fragen nachzugehen: Was zeichnet Professionalität aus? Wie werden Erfahrungen zu professionellen Erfahrungen? Wie ist es um die Verallgemeinerbarkeit von Erfahrungen und Wissen bestellt? Wessen Wissen ist legitim und wessen Erfahrungen werden anerkannt? Welche Einflussmöglichkeiten sollten aktuelle oder ehemalige Betroffene bzw. Nutzer_innen auf die Ausgestaltung psychosozialer Unterstützungsverhältnisse haben; welchen Stellenwert ihre Erfahrungen und ihr sich erarbeitetes Wissen? |