Krippenalltag. Interaktionspraxen und Alltagsgestaltung in Settings der institutionellen Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren Im Kontext des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres, der ab August 2013 in Kraft treten wird, sollen in dieser Forschungswerkstatt alltägliche Praxen der Betreuung, Erziehung und Bildung in Berliner Kindertageseinrichtungen, die Kinder in den ersten drei Lebensjahren aufnehmen, in den Blick genommen werden. Ein Fokus liegt hierbei auf der Interaktionsgestaltung und dem Beziehungsaufbau zwischen Kindern und pädagogischen Fachkräften. Aber auch die Kontakte und Interaktionen zwischen den Kindern und andere Bereiche des Alltagsgeschehens in Krippen können zum Gegenstand der Untersuchungen der Studierenden werden. Es ist geplant, mit einigen Kindertageseinrichtungen über den Zeitraum der Forschungswerkstatt hinweg zusammen zu arbeiten und die gewonnenen Erkenntnisse den pädagogischen Fachkräften bzw. Teams zurück zu spiegeln. Inwieweit auch die Konzipierung und Durchführung kleinerer Fortbildungseinheiten für Fachkräfte bzw. Teams Bestandteil der Arbeit in der Forschungswerkstatt sein kann, wird mit den TeilnehmerInnen gemeinsam entschieden. Wenn Säuglinge und Kleinkinder zunehmend mehr Zeit in frühpädagogischen Einrichtungen verbringen, benötigen sie und ihre Familien Fachkräfte, die ihnen mit einer professionellen Haltung und den entsprechenden Kompetenzen begegnen. Vor allem internationale Studien belegen, dass die Qualität der familienergänzenden Betreuung in den ersten Lebensjahren das Verhalten und Wohlbefinden der Kinder und ihre soziale, emotionale, kognitive und sprachliche Entwicklung nachhaltig beeinflusst (Siraj-Blatchford u.a., 2002). Nicht der Besuch einer Betreuungseinrichtung, sondern die dort erlebte Qualität der pädagogischen Arbeit und Interaktions- bzw. Beziehungsgestaltung, d.h. zuverlässige Versorgung, liebevolle Zuwendung, sprachliche Anregung, sensible und wohldosierte Unterstützung und Herausforderung des kindlichen Neugier- und Explorationsverhaltens sowie die Ermöglichung von Peer-Interaktionen (vgl. Viernickel et al. 2011) gelten als förderlich für die kindliche Entwicklung. Als eine zentrale methodische Herangehensweise soll das in der großen amerikanischen NICHD-Längsschnittstudie (vgl. NICHD ECCRN, 2003) entwickelte standardisierte Verfahren ORCE (Observational Record of the Caregiving Environment) eingesetzt werden, das auf der Basis systematischer Beobachtung die Interaktionsqualität zwischen Kind und pädagogischer Fachkraft erfasst. Das hierfür notwendige Beobachtungstraining ist Bestandteil der Forschungswerkstatt. Vorgesehen sind sowohl videografische Aufzeichnungen als auch die direkte Beobachtung in Realsituationen. Je nach Interesse und Forschungsgegenstand der Studierenden werden weitere Methoden Anwendung finden, beispielsweise leitfadengestützte Interviews zur Rekonstruktion handlungsleitender Orientierungen, Einstellungen und Verhaltensweisen pädagogischer Fachkräfte oder qualitativ-rekonstruktive Verfahren zur Analyse der videografierten Sequenzen. Die einzelnen Studien und ihre Ergebnisse sind die Grundlage für im dritten Semester zu erstellende Fachartikel, die als Herausgeberband veröffentlicht werden sollen. Die Artikel sind gleichzeitig die Leistungsnachweise für das zweite Modul der Forschungswerkstatt. Die Studierenden erwerben Wissen und Kompetenzen in folgenden Bereichen: - Überblick über die Forschung zu frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung (mit Fokus auf Kinder in den ersten drei Lebensjahren)
- Zusammenhänge zwischen Interaktionsmerkmalen, Beziehungs-/Bindungsaufbau und kindlicher Entwicklung
- Frühkindliche Kommunikations- und Interaktionsprozesse, sprachliche Begleitung von Tätigkeiten und Handlungen, Entwicklung eines angemessenen Sprach- und Kommunikationsverhaltens in der Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren, Schaffung von Sprachanlässen.
- Fachwissen zu weiteren Aspekten frühkindlicher Entwicklung und Bildung in Kindertageseinrichtungen (z.B. Peer-Interaktionen und Peer-Beziehungen) je nach Schwerpunktsetzung der Studierenden
- Entwicklung einer Fragestellung und eines geeigneten Forschungsdesigns
- Anwendung und Auswertung des standardisierten Beobachtungsverfahrens ORCE
- Videografische Beobachtung
- Anwendung und Auswertung weiterer Methoden, orientiert an den Fragestellungen der Studierenden
- Erstellung eines Fachartikels
- ggf. Konzipierung und Durchführung von Fortbildungseinheiten
Überblick über die zeitliche Planung (Änderungen vorbehalten): 1. Semester: Thematischer Austausch, fachwissenschaftliche Grundlagen, Entwicklung von Forschungsfragen und -design(s); Aufbau von Kooperationen mit Kindertageseinrichtungen / Fachkräften; Training des Beobachtungsinstruments ORCE (Blockwoche) Planung und Absprachen zu Erhebungen Einführung in videografische Beobachtung Anfertigen eines Exposés (jede/r Studierende/r) 2. Semester: Feldphase: Datenerhebungen Datenaufbereitung und -auswertung Weitergehende Auseinandersetzung mit Fachliteratur, theoretischen Grundlagen & weiteren Methoden ggf. Entwicklung von Fortbildungseinheiten 3. Semester: Datenauswertung ggf. Durchführung und Reflexion der Fortbildungseinheiten Verschriftlichung der Ergebnisse (Fachartikel) |