Internationales Asylsuchende in Israel in Zeiten von Covid-19: Antwort der Sozialen Kulturarbeit und des transkulturellen Austausches

Fünfter Teil der Reihe: Blick über den Tellerrand – internationale ASH-Kooperationen in Zeiten von Corona

In Zeiten der globalen Covid-19-Pandemie sehen sich marginalisierte Communities und insbesondere diejenigen, die ohne gesicherten Aufenthalt und Rechte leben, extremen Schwierigkeiten gegenüber. In diesem kurzen Beitrag möchten wir auf die Situation eritreischer und sudanesischer Asylsuchender eingehen, die in Israel leben, und unsere Erfahrungen aus der Perspektive der Sozialen Arbeit, wie wir sie auch in der Kooperation zwischen der Universität Tel Aviv (TAU) und der Alice Salomon Hochschule (ASH) Berlin in verschiedenen Begegnungen entwickelt haben, weitergeben. Ziel ist, das Bewusstsein zu schärfen und das Engagement der Studierenden in den betroffenen Gemeinschaften zu verstärken.

Asylsuchende in Israel in Zeiten von Covid-19

Die Frage der Asylbewerber_innen in Israel ist politisch und öffentlich sehr umstritten. Etwa 31.000 Asylsuchende, hauptsächlich aus Eritrea und dem Sudan, leben in dem Land. Sie kamen Mitte der 2000er Jahre ins Land, nachdem sie die Gräueltaten in den Folterlagern auf dem Sinai überlebt hatten. Die israelische Politik gegenüber Asylbewerber_innen ist extrem ausgrenzend. Der Staat schiebt sie zwar nicht ab, aber es ist seine erklärte Position, ihr Leben zu erschweren, so dass sie sich „entscheiden“ würden, das Land zu verlassen. Die überwiegende Mehrheit lebt seit mehr als einem Jahrzehnt in Israel mit einem Status der „dauerhaften Befristung“ – sie verfügen über „ein Visum für vorübergehenden Schutz“, das alle paar Monate verlängert wird und ihnen zwar das Recht auf Aufenthalt gewährt, jedoch keinerlei Zugang zum Gesundheitssystem, Sozialsystem oder eine Arbeitserlaubnis. Die vorherrschende öffentliche Haltung gegenüber Asylsuchenden ist negativ und wird durch die rassistische Darstellung von Asylsuchenden durch Politiker_innen und Medien als demographische Bedrohung und Sicherheitsrisiko verstärkt. Zudem werden die Menschen durch die offizielle Bezeichnung als „Infiltratoren“ weiter kriminalisiert.

Im Laufe der Jahre wurden gegen diese Communities verschiedene Maßnahmen wie Inhaftierung, Abschiebung und Wirtschaftssanktionen ergriffen, die sie an den Rand gedrängt und in extreme Armut getrieben haben. Dazu gehört auch das Deposit-Gesetz, das jeden Monat 20 Prozent ihrer Gehälter enteignet. Dieses Gesetz wurde kürzlich vom Obersten Gerichtshof aufgehoben, nachdem Betroffene zusammen mit Menschenrechts-NGOs und Aktivist_innen jahrelang eine zivil- und strafrechtliche Auseinandersetzung geführt haben.  

In den vergangenen Monaten hatte die Covid-19-Pandemie verheerende Auswirkungen auf Asylsuchende in Israel. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 70-90 Prozent der Menschen in den Communities ihre Arbeit verloren haben. Viele waren nicht in der Lage, ihre Mieten zu bezahlen. Doch auch während der Coronakrise wurde ihnen keine staatliche Hilfe gewährt – auch für israelische Bürger_innen war die nur minimal. Die alltäglichen Kämpfe in der Community wurden extrem. Neben der Selbstorganisation der Communities unterstützten verschiedene gemeinnützige Sozialarbeitsorganisationen und NGOs wie die Aid Organization for Refugees and Asylum Seekers in Israel (ASSAF), Unitaf (eine gemeindebasierte Organisation, die frühkindliche Bildungsprogramme entwickelt für Flüchtlingskinder und Kinder ohne Status, die in Israel wohnen) und andere Organisationen in diesen Zeiten weiterhin Asylsuchende, sowohl wirtschaftlich als auch emotional.

Akademische Zusammenarbeit zwischen TAU und ASH Berlin: eine Antwort aus der Praxis der Sozialen Arbeit

Da Asylsuchende in Israel von Sozialleistungen ausgeschlossen sind, außer in Fällen von als extrem gefährdet definierten Einzelpersonen, ist die Beteiligung der allgemeinen Sozialen Arbeit an diesem Thema minimal. Dies gilt auch für den akademischen Bereich, da die Einbeziehung von Asylsuchenden in die Lehrplangestaltung der Sozialen Arbeit noch ganz am Anfang steht. Vor diesem Hintergrund haben wir 2018 in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Andrea Plöger von der ASH Berlin ein gemeinsames Seminar zum Thema Soziale (Kultur-) Arbeit mit Geflüchteten in Israel und Deutschland initiiert. Die Kooperation zwischen den beiden Hochschulen für Soziale Arbeit ging davon aus, dass die Ausbildung von Studierenden der Sozialen Arbeit in diesem Feld einen globalen Ansatz erfordert, der Partnerschaften und Wissensaustausch zwischen Fachkräften in unterschiedlichen Kontexten einschließt. Wir glauben, dass das Lernen darüber, was ‚dort‘ (in Deutschland) geschieht, beim Anpacken dessen, was ‚hier‘ (in Israel) geschieht, helfen könnte und umgekehrt. 

In den vergangenen Jahren fand die Seminarreihe in Berlin statt und beinhaltete Vorträge von Lehrenden und Studierenden der ASH Berlin, Begegnungen mit Sozialarbeiter_innen und Aktivist_innen, Erfahrungsaustausch zwischen Studierenden aus beiden Ländern und die Durchführung reflektierender kritischer Seminare. Ziel des Seminars ist es, die Studierenden mit dem theoretischen und praktischen Verständnis der wichtigsten Ansätze der kritischen bzw. kritisch ambitionierten Sozialen Arbeit mit Geflüchteten und hier mit möglichen Interventionen der Sozialen Kulturarbeit vertraut zu machen. Dabei werden die israelische und deutsche Politik, öffentliche Einstellungen sowie berufliche Normen und Praxis verglichen.

Das Feedback der israelischen Studierenden nach dem Seminar beinhaltete u.a. die Erwähnung, dass sie ihr Bewusstsein für die komplexen Beziehungen zwischen den Aufnahmegesellschaften und den „Newcomers“ geschärft, ihr Wissen über die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession aufgrund des einzigartigen Ansatzes und der Fachkompetenz der ASH Berlin erweitert und ihr Bewusstsein für Vielfalt und Integration gestärkt hätten. Ein Teilnehmender unterstrich zum Beispiel den vergleichenden Ansatz des Seminars: „Die Tatsache, dass ich [in Berlin] etwas Neues und Anderes sehen und lernen konnte, ermöglichte es mir, zu vergleichen und die Frage zu stellen, was es in Israel gibt“ (Y, Student, 2018). Eine andere Studentin sagte über die Erfahrung der Begegnung und des Austausches: „Am fünften Tag des Seminars beschäftigte ich mich zunehmend mit Erfahrungen von Geflüchteten und dachte an ein Kind, das seine Mutter im Bahnhof begleitet hat, da es die deutsche Sprache besser versteht als sie, und ich überlegte, welche Emotionen in mir geweckt werden“ (R, Studentin, 2018). Zum Schluss erwähnte ein anderer Student die Vielfalt innerhalb der Studierendengruppen und die Art und Weise, wie die Identität der Studierenden mit den Seminarthemen korrespondiert: „Als wir vor dem Reichstag saßen, einer Gruppe jüdischer und arabischer Studierender aus Israel, sollte dieses Bild konflikthaft sein, aber... es war nicht so. Ich habe wirklich das Gefühl, dass es uns trotz all unserer Unterschiede... gelingt, eine ganze und einheitliche Gruppe zu schaffen.“ (R, Student, 2018).

Angesichts Covid-19 findet das Seminar in diesem Jahr online statt. Trotz der Beschränkungen einer solchen Plattform gelingt es uns hoffentlich, unsere enge Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten, und Aktivist_innen, Praktiker_innen, mit und ohne Fluchthintergrund, in beiden Ländern zusammenzubringen. Einige der Studierenden engagieren sich ehrenamtlich oder im Praktikum in den betroffenen Communities in Israel. Den Auswirkungen von Covid-19 auf die Communites in den verschiedenen Ländern wird in der Diskussion größere Aufmerksamkeit geschenkt, ebenso wie den Fragen, wie wir uns im Sinne eines Ansatzes der kritischen bzw. kritisch ambitionierten Sozialen Kulturarbeit und der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession verhalten können bzw. müssen.

 

*Dr. Nora Korin-Langer ist Fakultätsmitglied an der Bob-Shapell-School für Soziale Arbeit an der Universität Tel Aviv (TAU). Zu ihren Interessen- und Fachgebieten gehören interkulturelle Kompetenz in der Sozialen Arbeit, Internationale Soziale Arbeit, Gruppenberatung und die Umsetzung in der Praxis der Sozialen Arbeit.

*Lior Birger ist Lehrbeauftragte an der Bob-Shapell-School für Soziale Arbeit an der Universität Tel-Aviv (TAU), und Doktorandin an der Hebräischen Universität. Sie ist Sozialarbeiterin und Aktivistin für Flüchtlingsrechte und forscht zu Sozialer Arbeit und erzwungener Migration.

 

 

Der Originaltext wurde in englischer Sprache verfasst. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte mit www.DeepL.com/Translator und wurde leicht redigiert.