Gesundheit Pflege studierbar machen, Pflegenotstand entschärfen

ASH-Pflegestudiengang im Austausch mit Berliner Abgeordnetem

Nachdem sich Studierende des Studiengangs Pflege dreier Berliner Hochschulen im vergangenen Herbst mit einem offenen Brief an politische Entscheidungstäger*innen wandten, haben Tobias Bauschke (FDP), Sprecher für Soziales und Pflege im Berliner Abgeordnetenhaus, und sein Team am 2. Juni 2022 die Alice Salomon Hochschule besucht. Thema des Austauschs mit Dozierenden und Studierenden der Pflege waren besonders die in dem Brief angeprangerte prekäre finanzielle Situation der Studierenden und die Forderung nach einem tragfähigen Finanzierungsmodell für Pflegestudiengänge. 

Laut Prof. Dr. Katja Boguth und Prof. Dr. Johannes Gräske, Dozierende des Bachelor Pflege an der ASH Berlin, machten die schwierigen Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene Pflegestudiengänge quasi „unstudierbar“, führten zu geringer Auslastung und Abbruchquoten von teilweise über 50%. Unter anderem bestünden die Studiengänge zu über der Hälfte aus Praxiseinsätzen, in denen die Studierenden, die teilweise jahrelange Berufserfahrung mitbringen, unbezahlt qualifizierte Arbeit leisten. Neben Studium und Praxiseinsätzen gäbe so keine Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.

Dabei tut eine, auf internationaler Ebene längst gängige Akademisierung der Pflege not: Die zukunftsträchtige Ausbildung vermittelt Inhalte wie Gerontologie und Diversity, die wissenschaftliche Fundierung und Begleitung von Pflegetätigkeiten hat nachweislich positive Auswirkungen auf das Outcome der Patient_innen. 

„Alle demokratischen Parteien haben die Problemstellung erkannt; es geht um den passenden Lösungsweg”

Eine Erhöhung des Bafög sei nur bedingt hilfreich, da es einerseits zurückgezahlt werden muss, andererseits nicht für sich weiterqualifizierende, also ältere, Studierende zur Verfügung steht. Die Praxispartner stünden einer Stipendienvergabe generell positiv gegenüber, haben bisher allerdings keine Möglichkeit der Refinanzierung durch die Krankenkassen. Ein von der FDP unterstützer Vorschlag wäre, das Pflegestudium an die Hebammenausbildung zu koppeln und so mit bis zu 1200 Euro monatlich zu vergüten.

„Der Pflegenotstand wird jedem Einzelnen auf die Füße fallen”, warnt ASH-Rektorin Bettina Völter – Pflegende gingen in andere Berufe oder in den Verschleiß. Bereits jetzt erwägen knapp 40 Prozent der Pflegenden ihren Beruf zu verlassen, so das Ergebnis der bundesweite Online-Studie „GratiCriN“, die die Alice Salomon Hochschule Berlin in 2021 durchführte. 

Prof. Dr. Boguth wies darauf hin, dass die Politik nicht mit den kommenden Generationen von Pflegekräften rechnet, die selbstbewusster ihre Rechte einfordern werden. Prof. Dr. Gräske forderte zusätzlich eine besondere Rentenregelung, die die hohe Belastung des Berufs berücksichtigt.

Die Studierenden legten Bauschke gegenüber ihre Motivation, aber auch ihre Ängste und Forderungen dar: Für sie eröffnet die Akademisierung der Pflege, auch international, neue berufliche Perspektiven. Für einige Studierende stellt das Studium zudem die letzte Chance dar, überhaupt in der Pflege zu bleiben. Dass ihre Forderungen nicht gehört werden, auch belegt durch das mangelnde mediale und politische Interesse an der Berliner „Walk of Care“-Demonstration oder an der Bestreikung aller Unikliniken in Nordrhein-Westfalen im Mai 2022, ist den Studierenden unverständlich.

Bauschke lud die Studierenden nach der Sommerpause ein, im Rahmen einer Anhörung in das Abgeordnetenhaus zu kommen. Das Einbringen eines entsprechenden Gesetztesantrages soll so weiter vorangetrieben werden. Zudem möchte Bauschke die ASH-Pflegestudierenden einen Tag lang begleiten. Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete Nicole Westig, Mitglied des Gesundheitsausschusses, hat sich für einen intensiven Austausch mit dem Pflegestudiengang der ASH Berlin im Sommer 2022 angekündigt.