In Deutschland leben rund 61.000 Menschen ohne Krankenversicherung – zwei Drittel davon sind Männer, besonders häufig Selbstständige, Erwerbslose oder Wohnungs- und Mittellose. Opioidabhängige Personen sind dabei überdurchschnittlich oft von Mehrfachbelastungen wie Wohnungslosigkeit, Schulden und fehlender gesundheitlicher Versorgung betroffen. Sie gelten als schwer erreichbare Zielgruppe innerhalb des bestehenden Hilfesystems.
Am 4. Mai 2025 startete an der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH Berlin) und der Evangelischen Hochschule Berlin (EH Berlin) das gemeinsame Forschungsprojekt „Wi:Nu:K – Wirkungs- und Nutzungsforschung zur Versorgung opioidabhängiger Personen mit unklarem Krankenversicherungsstatus“. Das übergeordnete Ziel ist es, sowohl die Wirksamkeit der Angebote der Berliner Clearingstelle für nicht krankenversicherte Menschen als auch die bestehenden Kooperationsstrukturen im Hilfesystem systematisch zu evaluieren und Optimierungspotenziale zu identifizieren. Das Projekt wird von der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege finanziert.
Das interdisziplinäre Team um Sandra Kintscher M.A., Melanie Akerboom M.A. und Hannah Kuszak (alle ASH Berlin) sowie Magdalena Eder M.A. (EH Berlin) arbeitet unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Rita Hansjürgens (ASH Berlin) und Prof. Dr. Rebekka Streck (EH Berlin). Kooperationspartner_innen sind die Clearingstelle der Berliner Stadtmission, Fixpunkt e. V., Gangway e. V., der Notdienst für Suchtmittelgefährdete Berlin e. V., Vista gGmbH sowie das Institut für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Gemeinsam wird analysiert, wie Suchthilfe-, Streetwork-, Clearing- und medizinische Angebote derzeit zusammenspielen – und an welchen Stellen strukturelle Optimierungspotenziale bestehen.
Durch das Forschungsprojekt sollen Barrieren in der medizinischen und psychosozialen Versorgung sichtbar gemacht und in konkrete Handlungsempfehlungen für Praxis, Politik und Verwaltung übersetzt werden. Vier inhaltliche Ziele leiten die Untersuchung:
- Bestehendes Wissen systematisieren,
- Zugangsbarrieren aus Nutzer_innenperspektive erfassen,
- ein Wirkmodell zur besseren Erreichbarkeit entwickeln sowie
- die Vernetzung aller beteiligten Akteur_innen stärken, um Vermittlungshindernisse abzubauen.
Das methodische Vorgehen basiert auf einem dreiphasigen Mixed-Methods-Design: Zunächst erfolgt eine feldbezogene Vorstudie mit Literaturrecherche und Expert_inneninterviews. Daran schließen sich ethnografische Feldforschung sowie Nutzer_inneninterviews zur Entwicklung eines Wirkmodells an. In der dritten Phase werden die Ergebnisse in partizipativen Workshops reflektiert und in praxisnahe Empfehlungen überführt.
Bis zum 30. November 2025 soll das Projekt nicht nur konkrete Erkenntnisse über Barrieren, Gelingensbedingungen und notwendige Strukturveränderungen liefern, sondern auch praxisnahe Strukturvorschläge entwickeln, die die Versorgung dieser stark belasteten Zielgruppe in Berlin – und perspektivisch auch in anderen Großstädten – nachhaltig verbessern können.