Demokratie in Deutschland bedeutet mehr als Kanzleramt, Bundestag und Parteipolitik. Sie
lebt vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern – nicht nur in Wahlen und Bürgerentscheiden, sondern auch durch gesellschaftliches und politisches Engagement. Sah es am Standort der Alice Salomon Hochschule Berlin, dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf, jahrelang danach aus, als gelänge ein Zurückdrängen antidemokratischer oder rechtspopulistischer Positionen, sind diese mittlerweile wieder auf dem Vormarsch. Aber was führt dazu, dass Menschen sich von der Demokratie entfernen? Ein Forschungsprojekt der Alice Salomon Hochschule Berlin geht der Frage differenziert auf den Grund und zeigt Lösungen auf – nicht nur für den Bezirk.
„Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, dass es Menschen gibt, die mit Demokratie nicht viel anfangen können; wir wollen untersuchen, warum das so ist“, sagt Projektleiter Heinz Stapf-Finé, Professor für Sozialpolitik an der Alice Salomon Hochschule Berlin und Akademischer Leiter der Paritätischen Akademie Berlin. Dafür wurde ein differenziertes Konzept von Demokratieferne und -nähe entwickelt, fernab von den Klischees zwischen „braunem Marzahn-Hellersdorf“ und „reinen Anwohnersorgen“. Im ersten Schritt befragte das Forscherteam 75 Kinder und Jugendliche; in der zweiten Hälfte nehmen nun 363 Menschen aller Altersgruppen an der Studie teil. Das Forscherteam wirft dabei einen Blick auf lebensgeschichtliche Aspekte, soziale Lagen und auf das Wohlbefinden der Menschen im Bezirk. Ein Zwischenfazit: Einkommen und Arbeitslosigkeit beeinflussen die Haltung zur Demokratie. Auch Erfahrungen in der Wendezeit spielen eine Rolle. Die Ergebnisse der Studie werden im Oktober 2018 veröffentlicht.
Das Projekt will aber nicht nur erforschen, sondern gibt – ganz im Sinne der „Social Action Research“ – der Politik konkrete Handlungsempfehlungen mit auf den Weg und entwickelt zudem Verfahren, die zu besserer Einbindung der Bürger führen. „Demokratiedistanz und Alltagsrassismus sind Probleme in der Mitte der Gesellschaft.“ so Stapf-Finé. „Wichtig ist daher, aktivierende Formen der Partizipation umzusetzen. Sich darauf einzulassen, erfordert aber mehr Mut seitens der Politik.“ In Berlin sei man da beispielsweise im Rahmen von Bauprojekten und Stadtentwicklungsmaßnahmen auf einem guten Weg.
Neben verschiedenen Formaten der Bürgerbeteiligung wird ein besonderes Augenmerk auf die Demokratiebildung in Kitas und Schulen gelegt. Denn die Einrichtungen vermitteln zwar theoretisches Demokratiewissen, an praktischem Demokratieerleben mangelt es jedoch häufig. Gemeinsam mit Erzieher_innen und Lehrer_innen wird daher erörtert, wie Partizipation und aktives Demokratielernen stärker etabliert werden kann.
Die Alice Salomon Hochschule Berlin leistet so einen wichtigen Beitrag zum Demokratieverständnis – vom Wissen zum Handeln – und das nicht nur im eigenen Kiez. Denn auch wenn sich die Untersuchungen auf Marzahn-Hellersdorf beschränken, so sind die Ergebnisse doch über den Bezirk hinaus interessant: für andere Kommunen, für die wissenschaftliche und öffentliche Debatte über Demokratie und Rechtsextremismus in Deutschland und für die Möglichkeiten des Zusammenhalts im Zeitalter von Krisen und Umbrüchen.
Das Projekt „DEMOKRATIE: Demokratieferne Auffassungen in einer Kommune als Herausforderung für sozialräumliche Demokratieentwicklung“ mit 363 Menschen aller Altersgruppen läuft vom 01.10.2017 bis zum 31.03.2020 und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
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Das Projekt „DEFA: Demokratieferne Einstellungen in einer Kommune. Das Beispiel Marzahn-Hellersdorf“ mit 75 Jugendlichen läuft vom 15.03.2017 bis zum 31.12.2018 und wird mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin sowie der Friedrich Ebert Stiftung gefördert.
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Download Zwischenbericht des DEFA-Projekts
Mehr zur Expertise „Entwicklung von Eckpunkten für ein Konzept zur Demokratieförderung“
Die Projektleitung unterliegt Prof. Dr. Heinz Stapf-Finé, Professor für Sozialpolitik an der Alice Salomon Hochschule Berlin und Akademischer Leiter der Paritätischen Akademie Berlin sowie Prof. Dr. Michael Brodowski, Professor für Leitung und Management frühkindlicher Bildungseinrichtungen an der Alice Salomon Hochschule Berlin.