Erklärung der Prorektorin der Alice Salomon Hochschule Berlin zur umstrittenen (Neu-)Gestaltung der Hochschulfassade

Prof. Dr. Bettina Völter: „Wir setzen auf Demokratie, Partizipation und Lernen im Diskurs.“

 

In der Diskussion um das Gedicht „avenidas“ von Eugen Gomringer an der Südfassade der Alice Salomon Hochschule Berlin äußert sich nun die Prorektorin für Forschung und Kooperationen, Prof. Dr. Bettina Völter, im Namen der Hochschulleitung: „Kein Gremium und keine Stimme aus der ASH Berlin zweifelt sein poetisches Werk an oder möchte es gar zensieren. Im Gegenteil, Gomringers Arbeiten werden als literarische Glanzstücke und Pionierleistung geschätzt und seine Praxis, Gedichte an Fassaden schreiben zu lassen, wird als zeitlos genial anerkannt.“

Die derzeit geführte Debatte über die Südfassade ist ein „prominentes Beispiel innerhalb einer medienübergreifenden, sich thematisch überlagernden und zum Teil sehr anspruchsvollen kulturpolitischen Debatte um die Bedeutung von Kunst, von Sprache und ihren impliziten Machtwirkungen, von Meinungsfreiheit, Feminismus und Demokratie“, sagt Prof. Dr. Völter. Gleichzeitig instrumentalisierten jedoch einige Kommentator_innen dieses Beispiel für einen Kulturkampf gegen einen suggerierten „Genderwahn“. „Besonders erschüttern uns die Vorwürfe, die von Hass erfüllten verbalen Angriffe und Beschämungsversuche in Leserbriefen und persönlichen E-Mails an den Rektor sowie an Studierende, die ihre Position und ihre Vorschläge produktiv und auf demokratischem Wege eingebracht haben.“

Die Hochschule bekennt sich zu einem klaren Wertekanon. So habe sich die Alice Salomon Hochschule Berlin auch aufgrund ihrer Historie den Werten Diversität, Gendergerechtigkeit und Sensibilität in Genderfragen verpflichtet und lebe diese Werte selbstverständlich in ihrer Kommunikation nach innen und außen, in der Sprache sowie in Lehre und Forschung. Zudem macht Prof. Dr. Völter deutlich, dass die Hochschule dem Gesetz von Freiheit von Lehre und Forschung unterliegt und damit „geradezu verpflichtet ist, sich reflexiv zu dem zu verhalten, was in Text, Wort und Handlung von ihr und ihren Mitgliedern ausgeht.“ Die Mitglieder der Hochschule hätten die Aufgabe „Sachverhalte zu benennen, die neu, ungewohnt, sperrig, befremdlich und umstritten sind“. Studierende sollen dazu befähigt werden, im späteren Berufsleben - auch in hierarchischen Strukturen des Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswesens - selbständig und mit Mut zu handeln.

Prof. Dr. Völter, Prorektorin der größten staatlichen SAGE-Hochschule Deutschlands (Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung) erklärt weiter, dass „Bildungsprozesse durch Partizipation, Ernstnehmen und durch wechselseitiges Lernen im Prozess der Auseinandersetzung, auch mit unliebsamen Argumenten erreicht werden.“ Und dass „Demokratie von der gemeinsamen Erarbeitung der besseren Argumente im Diskurs lebt.“ Das Vorgehen der Studierenden könne nicht mit Bilderstürmerei verglichen werden. Das Vorgehen sei - im absoluten Gegensatz zur Bilderstürmerei - ein gewaltfreies, demokratisch legitimiertes sowie ein ideologie-, diskriminierungs- und klischeesensibles Verfahren.

Auch zum Vorgang der Ausschreibung nimmt Völter Stellung und betont nochmals, dass dieser ergebnisoffen angelegt sei und somit auch den Erhalt des Gedichtes beinhalten könne, eine Kontextualisierung oder eine ganz andere Variante der Fassadengestaltung.
„Die Hochschule hat deshalb keine Angst vor der öffentlichen Diskussion zur Südfassade, auch wenn mancher Gestus und manche Äußerung so wirken als wenn sie den Rektor, die Studierenden und die Hochschule einzuschüchtern versuchen.“

Völter stellt fest: „Es muss nun unserer Ansicht nach aber erlaubt sein, ein Gedicht, das an der Wand unserer Hochschule steht und in den Stadtraum strahlt, auch in einen sozialen Kontext zu setzen und diskurskritisch zu kommentieren. Poesie an Hausfassaden ist, im Unterschied zu Poesie in den Herzen der Menschen, qua Ver-Ortung nicht - zumindest nicht diskussionslos - für die Ewigkeit gedacht. Spätestens eine ohnehin anstehende Renovierung der Wand würde z.B. die Frage aufwerfen, warum eigentlich nicht auch das Gedicht einer Preisträgerin einmal diesen prominenten Platz bekommen sollte.“

Hier können Sie die Erklärung der Prorektorin der Alice Salomon Hochschule Berlin einsehen.